Obwohl die südosteuropäischen Zuwanderer in Duisburg viele Probleme verursachen, solidarisieren sich die Bürger der Stadt gegen Rechts. Sie rufen im Internet dazu auf, das Haus niederzubrennen. Sie fahren mit ihren Autos daran vorbei und schreien ausländerfeindliche Parolen. Einer von ihnen wurde gar von einer patrouillierende Streifenwagen-Besatzung beim Hitler-Gruß beobachtet. Nach der ausländerfeindlichen Hetze rund um die von Roma-Familien bewohnten „Problemhäuser“ haben Duisburger Bürger Nachtwachen organisiert, um deren Bewohner zu schützen.
Auch Pfarrer Heiner Augustin aus der Rheinhausener Friedenskirchengemeinde hat sich dort „die letzten fünf Nächte um die Ohren geschlagen“. Eigentlich hat der Pfarrer zur Zeit Urlaub, aber wie viele seiner rund 50 Mitwächter ist er ernsthaft besorgt um die Sicherheit der dort lebenden Zuwanderer aus Rumänien: „Ein zweites Rostock-Lichtenhagen braucht keiner“.
Die Nachtwächter stellen sich schützend vor die Häuser
Nachdem sich die Situation in Rheinhausen in der vergangenen Woche zugespitzt hatte, hielten Bürger erste Nachtwachen vor dem Wohnblock ab. Viele, vor allem junge Leute aus Duisburg und der Region, versammeln sich dort täglich und harren bis in die Morgenstunden aus. „Bei vielen Bewohnern gab es nur noch Angst und Schrecken“, sagt Annegret Keller-Steegmann, eine der Initiatorinnen der Nachtwachen.
Die Männer vieler Roma-Familien hätten sich daraufhin zusammen getan, um auf mögliche Angriffe vorbereitet zu sein. „Da hätte der Wurf einer Cola-Dose gereicht, und das Ganze wäre eskaliert“, sagt Barbara Laakmann, Ratsfrau der Linken, die ebenfalls in zwei Nächten wachte. Manche Hausbewohner hätten die Situation kaum noch ertragen. Eine Familie mit einem wenige Tage alten Säugling habe die Koffer gepackt, sei plötzlich verschwunden. „Sie dachte wohl: alles besser als das hier“, so Laakmann. Die Familie sei inzwischen zurückgekehrt. Andere Bewohner fanden keinen Schlaf mehr. Kinder hätten sich nicht mehr bettfertig gemacht, „um bereit für die Flucht zu sein“.
Es sei nicht hinnehmbar, dass Menschen mitten in Duisburg um ihr Leben fürchten. Bereits im Frühjahr hatte die rechtsextreme Partei Pro NRW zu Demonstrationen vor den Häusern aufgerufen. Und auch an diesem Wochenende kam es zu neuen Provokationen. So berichten die Nachtwächter unter anderem von Gestalten mit Messern in der Hand.
„Am Freitag und Samstag fuhren sie mit ihren Autos durchaus mehrere Male pro Stunde Parolen schreiend vorbei“, sagt auch Pfarrer Augustin und: „Sobald da etwas passiert, kocht das über, droht eine Eskalation. Zuletzt soll die Polizei ihre Präsenz verstärkt haben. Dem 21-Jährigen, der sich mit Hitlergruß positionierte, droht nun eine Anzeige wegen Volksverhetzung.
Um weitere Provokationen zu vermeiden, wollen sich die Nachtwächter weiterhin versammeln. Alte und Junge, Studenten, Anwohner, kulturell Engagierte. Keller-Steegmann ist Lehrerin. Sie veranstaltet mit dem Jungen Ensemble Ruhr und Kirchengemeinden Workshops für Roma-Kinder.
Tatsächlich haben sich die von Roma aus Bulgarien und Rumänien bewohnten Häusern seit langer Zeit zu Problemhäusern für ihre Stadtteile entwickelt, ja für ganz Duisburg. Immer wieder gab es Proteste der Nachbarn, weil es nachts laut war, weil sich der Müll auftürmte, einfach aus den Fenstern geworfen wurde.
Immer wieder gab es Razzien der Polizei. Denn die Armutszuwanderung aus Südosteuropa lässt die Kriminalitätsraten in Duisburg, ja in ganz Nordrhein-Westfalen hochschnellen. So ermittelte die Polizei allein in den ersten sechs Monaten gegen 2974 Tatverdächtige aus dem Umfeld der Einwanderer. Fast immer geht es um Diebstahl, Betrug oder Schwarzarbeit. Allein zu zwei Wohnblocks in Rheinhausen und Hochfeld fuhr die Polizei rund 450 Einsätze.
Trotz aller Kritik wächst die Solidarität mit den Zuwanderern
„Da wohnen nicht nur Kriminelle, da wohnen auch ganz arme Schweine, die hier in Deutschland versuchen, zu überleben“, betont dagegen Pfarrer Augustin. Er gehört zu den Menschen in Rheinhausen, die vor knapp einem Jahr einen runden Tisch initiierten, um die Probleme anzugehen.
Trotz aller Kritik wächst inzwischen die Solidarität mit den Zuwanderern, wächst die Wut über die Fremdenfeindlichkeit. Viele integrationswillige Bewohner, so Keller-Steegmann, wollten ausziehen. „Sie wollen sich absetzen von den Kriminellen“, sagt die 60-Jährige. Die Nachtwachen, das steht fest, werden auf jeden Fall fortgesetzt.
WAZ.de | Arne Schleef